Arbeitsstil im Mathestudium

1. In der Vorlesung: 

Notieren Sie nur wesentliche Aussagen in ordentlicher und übersichtlicher Form. Vieles können Sie einfacher in Büchern und im Skript nachlesen. Versuchen Sie (sich) Fragen zu stellen: Was wird augenblicklich gemacht? Welche Fragestellung wird behandelt? Welche Methode wird angewandt? Sofern Ihnen manches unverständlich ist: Fragen Sie unbedingt nach. Der Dozent wird Ihnen Rede und Antwort stehen. Arbeiten Sie jeden Aufschrieb (möglichst zeitnah) vor der nächsten Vorlesung gründlich durch. Notieren Sie Fragen, wo sie Lücken haben oder etwas nicht verstanden haben. Stellen Sie dem Dozenten weiterführende Fragen oder Aufgaben zur Sache. Machen Sie sich kurze Vermerke, wie Sie den Stoff lernen und festigen wollen. Notieren Sie ggf. auch Ratschläge der Dozenten.

2. Nacharbeit:

Mathematische Texte kann man nicht einfach lesen, man muss sie „erarbeiten“ mit Papier und Bleistift. Erarbeiten heißt z.B. umformulieren, in anderer „Sprache“ (Grafik, Formel, Computerprogramm, Nachvollziehen in einem DGS u.ä.m.) darstellen.
Definitionen: Machen Sie sich die wesentlichen Eigenschaften der Definition klar. Suchen Sie Beispiele und Gegenbeispiele für den definierten Begriff. Gute Gegenbeispiele sind solche, die „fast“ mit der Definition übereinstimmen, also nur in einem Merkmal abweichen! ("Aha, darauf kommt es also bei diesem Begriff an!")
Sätze: Erarbeiten Sie sich die Aussagen eines Satzes. Was sind die Voraussetzungen, was ist die Behauptung. Gilt auch die Umkehrung oder ist diese falsch? Welche Folgerugen kann man aus der Aussage ziehen? Hat der Satz weit reichende Konsequenzen? Versuchen Sie, ihn zu widerlegen.
Beweise: Beweisen heißt zurückgehen auf die Definition. Machen Sie sich die Definition für jeden Begriff des Satzes klar. Klären Sie Voraussetzungen: Was ist gegeben? Was wird behauptet? Was ist der entscheidende Gedanke beim betrachteten Beweis? Gibt es Varianten für den Beweis? An welcher Stelle werden die definierenden Eigenschaften der Begriffe im Beweis verwendet? Von welcher Art ist der Beweis (konstruktiver Beweis, Induktionsbeweis, indirekter Beweis etc.). Versuchen Sie Definitionen, Sätze und Beweise ohne Hilfsmittel nachzuvollziehen. Falls Sie an einer bestimmten Stelle gescheitert sind, stellen Sie fest woran und merken Sie sich diese Stelle („Ein Trick, den man zweimal verwendet, ist eine Methode!“)

3. Lektüre von Fachliteratur:

Auch Fachliteratur kann man in der Mathematik nur mit dem Bleistift in der Hand lesen. Es genügt nicht, Textteile durch Markieren hervorzuheben. Man muss sich Inhalte stets selbst arbeiten (Kurzfassungen, Übersichten etc. erstellen). Versuchen Sie, ein erarbeitetes Kapitel aus dem Gedächtnis zu rekapitulieren: Entscheidende Begriffe und ihre Definitionen, hauptsächliche Aussagen und ihre Beweise, behandelte Algorithmen und deren Anwendung. Wiederholen Sie dies ggf. so lange, bis sie keine Hilfen wie Spickzettel o.ä. mehr benötigen.

4. Übungen:

Versuchen Sie auf alle Fälle, die gestellten Aufgaben selbstständig zu lösen. Auch wenn Sie nicht zum Ziel kommen, haben Sie einen Gewinn davon. Deshalb sollten Sie alle Ansätze notieren (übersichtlich und nachvollziehbar). Damit können Sie ggf. beim Dozenten oder bei Tutoren nachfragen, warum ein bestimmter Ansatz nicht zum Ziel geführt hat bzw. was Sie falsch oder ungeschickt gemacht haben. Das Abschreiben von Lösungen des Dozenten oder der Kommilitonen bringt Ihnen keinerlei Kompetenzgewinn. Üben Sie sich darin, Ihre Lösungen präzise, klar und übersichtlich darzustellen, indem Sie immer mal wieder Aufgaben schriftlich bearbeiten.

5. Zeitaufwand:

Den Zeitaufwand für eine Vorlesung oder ein Seminar können Sie anhand der dafür veranschlagten ECTS-Punkte sehr genau abschätzen: Ein solcher Punkt steht für 30 Stunden "workload". Eine Veranstaltung im Umfang von 2 SWS hat in aller Regel 3 ECTS-Punkte. Wir erwarten damit von Ihnen einen direkten Arbeitsaufwand von 90 Stunden. Selbst wenn Sie davon die Präsenzzeit von 14 x 1,5 = 21 Stunden in Abzug bringen, verbleiben noch 69 Stunden, die Sie für Vor- und Nachbereitung der Veranstaltung aufwenden müssen. Umgerechnet auf die 14 Wochen Vorlesungszeit sind das weitere 5 Stunden pro Woche! Stopfen Sie also keine Lücken in Ihrem Stundenplan, sondern studieren Sie das, was laut Studienordnung ansteht und nutzen Sie "Hohlblöcke" für eine intensive Vor- und Nachbereitung.
Sie können auch eine andere Rechnung aufmachen: Der Umfang Ihres gesamten Studiums beträgt 240 ECTS-Punkte und damit 7200 Stunden in 8 Semestern, dies sind 1800 Stunden pro Jahr. Wenn Sie sich etwa 6 Wochen Ferien/Urlaub gönnen, dann müssen Sie diese 1800 Stunden auf die noch verbleibenden 45 Wochen verteilen, was exakt eine 40-Stunden-Woche ergibt! Und in diese Zeit dürfen Sie das Schlendern von einem Hörsaal in den nächsten, die Zeit in der Mensa und die Raucherpause auf dem Campus nicht in Anrechnung bringen!
Arbeiten Sie regelmäßig mit. Wenn Sie nur kurz vor der Klausur alles Versäumte nacharbeiten wollen, bringen Sie sich selbst in unnötige Hektik und unter Druck und Sie werden Vieles gar nicht mehr aufarbeiten können, was an ihnen vorbeiging. Nur konstante Mitarbeit ermöglicht Ihnen, Profit aus dem Besuch von Vorlesungen und Übungen zu ziehen. Sofern Sie Lücken erkennen, sollten Sie entsprechende Gebiete aufarbeiten. Die Dozenten helfen Ihnen gerne mit Hinweisen (Literatur, Aufgabenblätter, Hinweise auf notwendige Kenntnisse etc.). Falls Sie einmal "abgehängt" haben, ist der weitere Besuch der Vorlesung unnütze Zeitverschwendung.

6. Ausdauer:

Wenn Sie eine Aufgabe nicht lösen können, ist dies kein Grund aufzugeben. Ein Sportler, der eine verlangte Leistung nicht schafft, wird einen Trainingsplan entwerfen und so lange trainieren, bis er es schafft. Dasselbe erwarten wir von Ihnen in der Mathematik. Legen Sie keine langen Trainingspausen während der Vorlesung bzw. im Studium ein, es ist danach viel aufwändiger, wieder Anschluss zu finden.

7. Kooperation:

Es kann für Sie sehr hilfreich und anregend sein, mit anderen zu lernen. Auch das will richtig gemacht sein. Es hat keinen Sinn, ohne individuelle Vorarbeit sofort in Gruppen lernen zu wollen, meist stört man sich dabei nur. Sinnvoll ist es, in Einzelarbeit Gelerntes in Gruppen zu präsentieren, zu diskutieren, in Frage stellen zu lassen, es zu verteidigen oder anderen zu erklären. Die beste Methode, sich eine Sache zu erarbeiten, ist immer noch, sie anderen zu erklären und zu lehren. Eine solche Arbeitsweise bringt Sie auch in ihrer Ausbildung als künftige Lehrperson voran. (Wenn ein Professor ein neues Gebiet kennen lernen will, dann bietet er eine Vorlesung darüber an!). Achten Sie darauf, dass alle Gruppenmitglieder gleichmäßig aktive und passive Rollen spielen. Keiner soll immer nur lehren oder immer nur zuhören.

8. Kapieren, nicht Kopieren!

Vermeiden Sie das Sammeln von Informationen durch reines Kopieren und Abheften. Versäumte Stunden kopieren Sie von guten Mitschreibern und arbeiten sie sofort(!) durch. Wenn Sie ein Buch oder ein Vorlesungsmanuskript durcharbeiten, sollten Sie sich stets ein Exzerpt der wichtigsten Inhalte erstellen. Sie lernen dabei sehr viel: Zum einen lernen Sie festzustellen, was Sie schon sicher können (das werden Sie entweder gar nicht mehr oder nur ganz kurz in Ihr Exzerpt aufnehmen) und zum anderen können Sie an Hand Ihres Exzerpts genau diejenigen Sachverhalte rasch und gezielt wiederholen, die Sie bisher noch nicht sicher können. Ein Exzerpt hilft Übersicht zu schaffen, man kann den roten Faden erkennen. Beweise werden nur der Idee nach skizziert. Eine gute Übung ist es dann, den Beweis nur an Hand dieser Idee vollständig und korrekt selbständig wiederzugeben. Bei der Prüfungsvorbereitung werden Ihnen diese Exzerpte beste Dienste leisten. Sie glauben gar nicht, wie hilfreich dies zu diesem Zeitpunkt ist. Wir beraten Sie gerne bei Ihrem eigenen Lernen. Machen Sie Ihr eigenes Lernen zum Thema. Bedenken Sie bitte stets, dass Ihr Studium Ihre persönliche Angelegenheit ist und in Ihrer eigenen Verantwortung steht, die Ihnen niemand abnimmt.

Wir wünschen Ihnen in Ihrem Studium viel Erfolg

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